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Die gute Intention ist oft ein trojanisches Pferd

Micha Madhava • 21. Dezember 2023

 

Die Macht der guten Intention: Ein Trojanisches Pferd in unserem Alltag

Einleitung

In unserem täglichen Leben begegnen wir oft Menschen, die ihr Handeln mit guten Absichten rechtfertigen. Von unseren frühesten Kindertagen an hören wir Sätze wie "Das ist nur zu deinem Besten" oder "Ich will dir doch nichts Böses". Doch aus meiner Perspektive verbirgt sich dahinter oft eine Dynamik, die unserer Authentizität und Verletzlichkeit zuwiderläuft.


Die gut gemeinte Fassade

Nach meinem Verständnis kann die gute Intention zu einem Feind unserer Selbstentfaltung werden, wenn sie uns in vorgefertigte Rollen und Erwartungen presst. Wie ein trojanisches Pferd tarnt sie sich als Geschenk, nur um von innen heraus unser Nervensystem zu aktivieren und unsere Verletzlichkeit zu triggern. Denn wenn die Pläne anderer nicht mit unseren eigenen Bedürfnissen übereinstimmen, geraten wir in einen inneren Konflikt.


Wie Nietzsche sagte: "Das, was die Gesellschaft gute Absichten nennt, sind oft nur die Intrigen des beschränkten Geistes." Oft klafft eine große Lücke zwischen Intention und Wirkung. Wir gehen von unseren eigenen Vorstellungen aus, ohne die des Gegenübers wirklich zu berücksichtigen. Wir projizieren unsere Idee von "gut" auf den anderen, statt in einen echten Dialog zu treten. Wie Thomas Hübl betont: "Viele zwischenmenschliche Konflikte entstehen, wenn wir dem anderen unsere Weltsicht überstülpen, statt seine Realität wirklich zu verstehen."


Der Preis der Anpassung

Besonders für Kinder ist es schwierig, sich den Vorstellungen ihrer Bezugspersonen zu widersetzen, von deren Liebe und Fürsorge sie abhängig sind. Um diese lebensnotwendige Verbindung nicht zu gefährden, lernen sie früh, ihre eigenen Bedürfnisse für die gut gemeinten Fantasien ihrer Bindungspersonen zu opfern. Doch der Preis ist eine tiefe Verlassenheitswunde und oft hartnäckige Schamgefühle. Ihre Prägung lässt wenig Raum für ein reguliertes Nervensystem und emotionale Intimität.


Für Kinder kann diese Dynamik besonders verheerend sein. Die Bindung zu den primären Bezugspersonen ist überlebenswichtig - sie ist nicht verhandelbar. Wenn die Eltern mit "guter Absicht" handeln, das Kind diese aber als verletzend oder übergriffig erlebt, steht es vor einem unlösbaren Konflikt. Es muss seine eigene Wahrnehmung unterdrücken, um die lebenswichtige Bindung nicht zu gefährden.


Wie Bessel van der Kolk beschreibt: "Für ein Kind ist es weniger bedrohlich, sich selbst als 'böse' oder 'defekt' zu sehen, als zu erkennen, dass die Eltern unfähig sind, es zu schützen und zu nähren."


Die Rechtfertigung des Täters

Diejenigen, die im Namen der guten Absicht handeln, hinterfragen oft nicht ihre Herangehensweise. Solange die Intention stimmt, scheint für sie alles in Ordnung zu sein. Mögliche Kritik wird immer mit dem Verweis auf die gute Absicht abgewiesen. Die Weisheit der Betroffenen und deren Befindlichkeiten ignoriert.


Oft steckt dahinter das sogenannte "Helfersyndrom". So versucht man, die eigenen unerfüllten Bedürfnisse durch Hilfe für andere zu kompensieren. Der andere wird zum Objekt, an dem man die eigene Großherzigkeit beweisen kann. Doch diese Form der "Hilfe" dient in erster Linie der Aufwertung des eigenen Selbstbildes, nicht dem echten Verständnis für den anderen. Wie mein hochgeschätzter Lehrer und Mentor Krishnananda Trobe sagt: "Wenn wir anderen helfen, um uns selbst besser zu fühlen, ist das keine Hilfe, sondern eine Form von Gewalt."


Der Schmerz des Betroffenen

Für denjenigen, der die Folgen zu tragen hat, ist diese Haltung doppelt schmerzhaft. Nicht nur müssen sie mit den Konsequenzen einer Handlung leben, die nicht ihren Bedürfnissen entspricht. Ihr Leid wird zudem oft nicht gesehen oder anerkannt. Stattdessen erfahren s Gaslighting, Abwertung und Schuldzuweisungen. Das triggert Ohnmacht und Hilflosigkeit - Gefühle, die tief in unserem impliziten Gedächtnis gespeichert sind.


Wie Carl Jung bemerkte: "Die besten Absichten nützen nichts, wenn sie die Wirklichkeit ignorieren." Gabor Maté bringt es auf den Punkt: "Nicht die Intention bestimmt die Wirkung, sondern die Wirkung bestimmt die Wirkung." Egal, wie gut unsere Absichten sein mögen, was zählt, ist die tatsächliche Auswirkung unseres Handelns auf den anderen.


Der innere Kritiker als falscher Freund

Ein Paradebeispiel für die verinnerlichte "gute Intention" ist unser innerer Kritiker. Auch er beteuert stets, nur unser Bestes zu wollen, quält uns aber mit ständigen Vorwürfen über unsere vermeintlichen Unzulänglichkeiten. Wie ein strenger Zuchtmeister treibt er uns in die Erschöpfung. Doch auch er ist das Ergebnis unzähliger Konditionierungen - sehr häufig geboren aus den kritischen Botschaften unserer frühen Bezugspersonen.


Die Herausforderung der Authentizität und Verletzlichkeit

Die von außen auferlegte "gute Intention" kann zu einer enormen Herausforderung für unsere Authentizität und Verletzlichkeit werden. Anstatt uns selbst treu zu bleiben und unsere eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, opfern wir sie für das vermeintliche Wohl anderer. Das kann zu einem Gefühl der Fremdbestimmung führen und uns daran hindern, unser volles Potenzial zu entfalten.


Der Weg zu echter Begegnung

Wie können wir dieser Falle entkommen? Der Schlüssel liegt in Selbstreflexion und dem Mut zur Authentizität. Wir müssen lernen, unsere eigenen Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren. Das erfordert, sich der eigenen Verletzlichkeit zu stellen und sie anderen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Nur wenn wir alte Glaubenssätze transformieren, können wir zu einem authentischeren Selbstausdruck finden.


Es bedeutet auch, Verantwortung für die Folgen unseres Handelns zu übernehmen. Nur wenn wir den Schmerz des anderen anerkennen, zeigen wir wahre Einsicht und können an einer Wiedergutmachung arbeiten. Das erfordert eine achtsame Kommunikation, die von einem trauma-informierten Verständnis und echtem Interesse am Gegenüber geprägt ist. Wie Stephen Porges betont: "Verantwortung bedeutet, 'antwortfähig' zu sein - fähig, auf die Signale des anderen einzugehen und entsprechend zu reagieren."


Schlussbetrachtung

Die "gute Intention" mag subjektiv aufrichtig gemeint sein, doch aus einem traumasensiblen Blickwinkel können ihre Folgen fatal sein, wenn sie die Grenzen und die Wahrheit der Betroffenen missachtet. Nur wenn wir unsere eigene Verletzlichkeit annehmen und die des anderen respektieren, kann echte Intimität und Verbundenheit entstehen.


Das bedeutet, die manipulative Macht der guten Absicht zu entlarven und liebevoll, aber bestimmt Klarheit zu schaffen, wo sie als Deckmantel für emotionalen Missbrauch dient. Es bedeutet aber auch, mit Wohlwollen und Mitgefühl zu erkennen, dass auch hinter destruktivem Verhalten meist eine Geschichte eigener Traumatisierung steckt.


Wenn wir es schaffen, diese Muster in Liebe ans Licht zu bringen und gemeinsam daran zu arbeiten, kann die "gute Intention" von einem trojanischen Pferd zu einem echten Geschenk werden - dem Geschenk einer erfüllenden Begegnung, die auf Wahrhaftigkeit, Verletzlichkeit und gegenseitigem Vertrauen basiert und so einen sicheren Raum für persönliches Wachstum schafft.


Ganz herzlich

Micha Madhava





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