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"Good Inside" Liebevolle Kommunikation mit unseren (inneren) Kindern

Micha Madhava • 18. Mai 2024

"Good Inside" - wie wir mit inneren und eignen Kindern kommunizieren

Nicht nur ein Erziehungsratgeber


Ich möchte euch heute von einer Entdeckung erzählen, die mich zutiefst berührt und begeistert hat: das Buch "Good Inside" von Dr. Becky Kennedy. Was auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Erziehungsratgeber erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein wahrer Schatz an Weisheit und Einsicht - nicht nur für Eltern, sondern für jeden Menschen, der nach tieferen, erfüllenderen Beziehungen sucht.


Was mich an Kennedys Ansatz so fasziniert, ist ihre Fähigkeit, Dinge, die mir aus der holistischen Psychologie, der Traumatologie und den Lehren meiner geliebten Lehrer Krish und Amana bekannt sind, auf eine so frische, klare und mitfühlende Art zu vermitteln. Sie schafft es, komplexe Konzepte auf den Punkt zu bringen und in konkrete, alltagstaugliche Strategien zu übersetzen.


Ein zentraler Gedanke in "Good Inside" ist die Idee, dass jeder Mensch in seinem Kern gut ist - unabhängig von seinem Verhalten. Kennedy lädt uns ein, hinter die Fassade zu blicken und zu verstehen, dass dysfunktionales Verhalten immer die Folge von Stress ist und dem Mangel einer gesunden Bewältigungsstrategie ist. Mit dieser Haltung schaffen wir den Raum für Mitgefühl, Verständnis und echte Heilung.


Ein weiteres Schlüsselprinzip ist die Erkenntnis, dass in jeder Interaktion zwei Realitäten, zwei innere Welten aufeinandertreffen - und dass beide gleichwertig und wichtig sind. Als Eltern sind wir oft so darauf fokussiert, das Verhalten unserer Kinder zu ändern, dass wir vergessen, ihre Perspektive und ihre Gefühle wertzuschätzen. Doch genau das ist der Schlüssel zu einer vertrauensvollen, belastbaren Beziehung.


Kennedys Erkenntnisse sind dabei nicht nur für die Kindererziehung relevant, sondern für alle unsere Beziehungen - auch die zu uns selbst. Wenn wir lernen, die widersprüchlichen, manchmal schwierigen Anteile in uns selbst mit der gleichen Neugier und dem gleichen Mitgefühl zu betrachten wie die unserer Kinder, können wir zu mehr Ganzheit und innerem Frieden finden.


Zwei Werkzeuge, die Kennedy besonders hervorhebt, sind die "wohlwollendste Interpretation" und die "Reparatur". Ersteres bedeutet, in jeder Situation zunächst nach der positivsten Erklärung für das Verhalten des anderen zu suchen. Letzteres meint die Fähigkeit, nach Konflikten oder Verletzungen wieder aufeinander zuzugehen, Verantwortung zu übernehmen und die Verbindung wiederherzustellen. Beides sind Schlüssel zu resilienten, vertrauensvollen Beziehungen.


Ein weiterer wichtiger Punkt, den Kennedy betont und der sich mit den Lehren des "Learning Love" deckt, ist die Bedeutung von Grenzen und Selbstfürsorge. Nur wenn wir klar kommunizieren, was wir brauchen und was für uns in Ordnung ist, können wir unseren Kindern (und uns selbst) echte emotionale Sicherheit geben. Und nur wenn wir gut für uns selbst sorgen, haben wir die Kraft und Präsenz, wirklich für andere da zu sein.


Letztlich ist "Good Inside" eine Einladung, uns selbst und andere mit neuen Augen zu sehen - mit mehr Achtsamkeit, Wertschätzung und Vertrauen in die tiefe Güte, die in jedem von uns wohnt. Es ist ein Wegweiser hin zu einer Welt, in der wir Verletzungen nicht durch Verurteilung, sondern durch Mitgefühl und den Willen zu verstehen begegnen.


Wenn wir diese Haltung in unsere Familien, unsere Beziehungen und in die Welt tragen, haben wir die Chance, etwas Grundlegendes zu verändern. Wir können dazu beitragen, dass die nächste Generation mit mehr Resilienz, Sicherheit und Verbundenheit aufwächst. Und wir können selbst zu Menschen werden, die den Herausforderungen des Lebens mit Verwurzelung, Klarheit und einem offenen Herzen begegnen.


Meine Einladung an dich ist: Nimm diese wohlwollende, mitfühlende Haltung mit in deinen Alltag. Wann immer dich das Verhalten eines anderen triggert oder verletzt, halte einen Moment inne und frage dich:

Was könnte eine großherzige Erklärung dafür sein?

Wie könnte meine wohlwollendste Interpretation sein?

Welche Realität, welche Geschichte verbirgt sich hinter dem Verhalten, das ich beobachte?


Und dann lass uns gemeinsam eintauchen in die Welt von "Good Inside" - und die vielen Schätze entdecken, die dieses außergewöhnliche Buch für uns bereithält. Behaltet die Idee im Hinterkopf, dass das was ihr hier lesen werdet eine Blaupause für alle Beziehungen ist.



"Good Inside" - Eine neue Perspektive auf Kindererziehung und persönliches Wachstum

Das Verhalten ist nicht das Problem


Bevor wir beginnen, müssen wir eines klarstellen: Euer Kind ist im Inneren gut - egal was passiert. Auch wenn es seine kleine Schwester mit einem Schuh schlägt oder euch sagt, dass es euch hasst - es ist und bleibt in seinem Kern gut.


Diese Grundannahme ist das Fundament für alles Weitere. Denn wenn ihr eure Kinder, euch selbst und letztlich jeden Menschen mit dem Verständnis behandelt, dass er von Grund auf gut ist, werdet ihr automatisch großzügigere Interpretationen für sein Verhalten finden.
Tatsächlich ist es das Erste, was ihr in schwierigen Situationen tun solltet: Atmet durch und entscheidet euch für die wohlwollendste Interpretation der Lage. Wenn ihr daran festhaltet, werdet ihr eurem Kind mit Mitgefühl und dem ehrlichen Wunsch zu verstehen begegnen - statt vorschnell mit Ärger und Schuldzuweisungen zu reagieren.


Als Nächstes müsst ihr eine fundamentale Wahrheit akzeptieren: Zwei Dinge können gleichzeitig wahr sein, auch wenn sie nicht unbedingt miteinander harmonieren. Zum Beispiel will euer Kind Eis zum Frühstück, aber ihr erlaubt es nicht. Wenn ihr zulasst, dass beides wahr ist, müsst ihr nicht krampfhaft versuchen, die Gefühle eures Kindes zu ändern.


Der "Good Inside"-Ansatz bedeutet also nicht, alle Gefühle zu ehren und den Kindern jeden Wunsch zu erfüllen. Es geht darum, Gefühle zu achten und gleichzeitig Grenzen zu setzen.
All das führt uns zu einem letzten Grundsatz für den Aufbau besserer Beziehungen zu euren Kindern: Kennt eure Aufgabe. Wisst, dass es eure Aufgabe ist, Grenzen zu setzen - aber nicht, die Gefühle eures Kindes zu ändern. 


Lasst uns nun hinschauen, wie wir auf diesen Konzepten aufbauen können.


Es ist nie zu spät


Bevor wir weitergehen, sollten wir eine Angst ansprechen, die viele Eltern haben, wenn sie von diesem neuen Ansatz hören: die Angst, dass es zu spät sein könnte.


Die Antwort darauf ist: Es ist nicht zu spät. Tatsächlich ist es nie zu spät. Erinnern wir uns an die Idee, dass zwei Dinge gleichzeitig wahr sein können. Hier sind zwei Wahrheiten: Wie ihr in den frühen Jahren auf das Verhalten eurer Kinder reagiert, ist entscheidend - und es ist nie zu spät, zu heilen und eure Art der Erziehung zu ändern.


Die frühen Jahre sind so wichtig, weil Kinder lange bevor sie eine bewusste Erinnerung haben, Erfahrungen in ihrem Körper speichern. Sie erkennen die Menschen in ihrem Leben, bei denen sie sich sicher und geliebt fühlen. Sie formen Bindungen und Beziehungen. Paradoxerweise fühlen sie sich umso freier, neugierig zu sein, zu erforschen und Grenzen zu testen, je geborgener sie sich bei ihren Eltern fühlen.
Wie ihr in diesen frühen Jahren mit Konflikten umgeht, lehrt eure Kinder viel über sich selbst. Durch eure Reaktionen auf ihre Grenzerkundungen und konfliktreichen Verhaltensweisen prägt ihr ihre Persönlichkeitsentwicklung.


Aber wie gesagt: Wenn ihr die frühen Jahre hinter euch habt und euch fragt, ob es zu spät ist - nein, ist es nicht. Unser Gehirn besitzt Neuroplastizität, die Fähigkeit sich aufgrund neuer Erfahrungen umzustrukturieren. Wenn es Situationen in der Vergangenheit gibt, auf die ihr nicht stolz seid, könnt ihr und euer Kind das Ende neu schreiben - durch einen Prozess, der "Reparatur" genannt wird.
Reparatur bedeutet, nach einer Trennung wieder in Verbindung zu kommen. Es geht darum, zu einem eskaliertem Konflikt zurückzukehren, sich zu entschuldigen, darüber zu sprechen, was ihr euch stattdessen gewünscht hättet, und dann mit Offenheit auf euer Kind zuzugehen, um seine Perspektive zu verstehen. Dazu später mehr. Aber lasst uns zunächst darüber reden, warum Glück nicht so wichtig ist, wie ihr vielleicht denkt.



Resilienz statt Glück


Glück ist nicht das ultimative Ziel.
Wenn Glück das Ziel ist, stehen negative Gefühle im Weg. Und doch sollten wir alle unsere eigenen Gefühle haben dürfen. In der Philosophie von "Good Inside" geht es nie darum, die Gefühle eines Kindes zu ändern, zu bewerten oder zu vermeiden.


Natürlich wollt ihr, dass eure Kinder glücklich sind. Aber die Vermeidung von Konflikten, das Misstrauen gegenüber den eigenen Gefühlen und das Gefühl, für Unglücklichsein "schlecht" zu sein - all das kann in Zukunft zu Ängsten führen. Ein viel besseres Ziel ist Resilienz. Ein resilientes Kind kann mit seinen Reaktionen umgehen, seine Gefühle verstehen und ihnen vertrauen und sich in seiner Haut wohlfühlen.
Bei Resilienz geht es nicht darum, das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Denkt daran, eure Aufgabe ist es, Grenzen zu setzen, nicht die Gefühle eures Kindes zu kontrollieren. Manchmal müsst ihr einfach einen Wutanfall aussitzen - und das ist okay.


Um Resilienz zu vermitteln, braucht ihr Fähigkeiten wie Einfühlung, Zuhören, Akzeptanz und Präsenz. Ihr müsst eurem Kind helfen können, seine Stärken zu erkennen und Probleme selbstständig zu lösen. Und jetzt kommt der schwierige Teil: Um das zu erreichen, müsst ihr auch euch selbst mit der gleichen Liebe und dem gleichen Respekt behandeln.


Deshalb ist Kindererziehung mit "Good Inside" immer auch ein Weg der Selbstentwicklung. Denn unsere Beziehungen zu anderen - selbst zu unseren Kindern - können nur so gut sein wie unsere Beziehung zu uns selbst.


Wenn Resilienz das Ziel ist, müsst ihr nicht nur an euch arbeiten. Ihr müsst auch lernen, Verhalten als das zu sehen, was es ist: ein Fenster in die innere Welt eures Kindes. Wann immer überraschende Verhaltensweisen auftreten, erinnert euch daran, die wohlwollendste Interpretation zu wählen, euch bewusst zu machen, dass zwei Dinge gleichzeitig wahr sein können, und mit dem ehrlichen Wunsch zu verstehen auf euer Kind zuzugehen.


Kommen wir nun zum dem Teil, in dem es darum geht, euer eigenes Verhalten zu ändern.


Fangt bei euch selbst an


Wie bereits erwähnt, können unsere Beziehungen zu anderen nur so gut sein wie unsere Beziehung zu uns selbst. Wenn ihr wie die meisten Eltern seid, habt ihr ein gerüttelt Maß an Scham erlebt. Es ist wichtig, dieser Scham ins Gesicht zu sehen, sie zu benennen und ans Licht zu bringen. Ihr tut das um eurer eigenen Heilung willen, aber auch, damit ihr Schamreaktionen bei euren Kindern erkennen und ihnen helfen könnt, mit diesen schwierigen Gefühlen umzugehen.


Scham lässt Kinder erstarren. Sie bringt sie in eine ausweglose Lage. Nehmen wir an, euer Sohn lügt darüber, dass er seine Schwester mit einem Schuh geschlagen hat. Nicht, weil er ein respektloser kleiner Lügner ist. Sondern weil er in der Zwickmühle steckt zwischen dem Wunsch, er hätte seine Schwester nicht geschlagen, und der Angst, die Liebe und Sicherheit zu verlieren, die er von euch braucht.


Ihr könnt ihm da raushelfen, indem ihr Verständnis für diese Scham zeigt, ihm helft, die Wahrheit auszusprechen, und ihm zeigt, dass seine Sicherheit und emotionale Geborgenheit nicht auf dem Spiel stehen, nur weil er eine schlechte Entscheidung getroffen hat.


Verbindung ist das Gegenmittel zu Scham. Sie hilft Kindern, sich sicher genug zu fühlen, um von sich aus die richtige Entscheidung zu treffen. Denkt daran, euer Kind ist im Inneren gut. Ihr könnt ein Umfeld schaffen, in dem es ihm möglich ist, auch nach außen hin gut zu sein. Ein Weg, Verbindung und Sicherheit herzustellen, ist, die Wahrheit zu sagen. In Momenten hoher Intensität haben Kinder vielleicht Fragen. Sagt ihnen die Wahrheit in einfachen, verständlichen Worten, damit sie ihre Welt und ihre Gefühle besser verstehen können.


Während ihr beginnt, euren Kindern mit Einfühlung und Ehrlichkeit zu begegnen, erkennt auch, dass ihr die gleiche Behandlung verdient. Selbstfürsorge bedeutet, euch selbst das zu geben, was ihr braucht, um auch nach außen hin gut zu sein. Atmet, erlaubt eure Gefühle, stillt eure Bedürfnisse, akzeptiert, dass andere mit euren Bedürfnissen vielleicht nicht einverstanden sind, und repariert jeden Schmerz, den ihr euch selbst zugefügt habt.


Wie schon gesagt, Verbindung ist das Gegenmittel zu Scham. Im nächsten Abschnitt werden wir darüber sprechen, wie ihr "Verbindungskapital" bei euren Kindern aufbauen könnt.



Verbindung ist der Schlüssel


Verbindungen aufzubauen ist ein fortlaufender Prozess. Das ist keine einmalige Angelegenheit. Beziehungen müssen etabliert, gepflegt und vertieft werden. 


Eine Möglichkeit dafür ist, bewusst Eins-zu-Eins-Zeit ohne Handy einzuplanen. Ihr müsst nicht gleich eine Woche auf alle Bildschirme verzichten oder euer Internet abschalten. Achtet einfach darauf, regelmäßig Momente zu haben, in denen eure Kinder sehen, wie ihr das Telefon weglegt und euch ganz auf sie konzentriert.


Emotionale Impfung ist eine Methode, um vor großen Ereignissen mit den Kindern in Verbindung zu gehen. Vielleicht setzt ihr euch vor dem ersten Schultag mit eurem Kind zusammen und sprecht darüber, was passieren wird. Erkennt alle Ängste oder anderen Gefühle an. Erzählt von einer ähnlichen Erfahrung, die ihr selbst gemacht habt. Das gilt natürlich auch für Partnerschaften.


Gefühle sind nicht das Problem. Sich mit seinen Gefühlen allein zu fühlen, ist das Problem. Die "Gefühlsbank" ist eine Metapher dafür, wie sich ein Kind fühlt, wenn etwas Großes passiert, das es nicht versteht. Manchmal reicht es schon, sich einfach zu ihm auf die Bank zu setzen und ihm zu zeigen, dass es sicher und nicht allein ist.


Die wohl wichtigste Technik zum Beziehungsaufbau ist etwas, worüber wir schon gesprochen haben: Reparatur. Euer Ziel sollte nie sein, Beziehungsbrüche zu vermeiden - denn das ist unmöglich. Aber wenn ihr die Fähigkeit zur Reparatur erlernt, stärkt ihr eure Beziehungen und gebt euren Kindern gleichzeitig die Werkzeuge, die sie brauchen, um in Zukunft resilient zu sein.


Die 4 Schlüsselschritte der Reparatur sind: Reflexion, Anerkennung, Aussprechen, was ihr anders machen würdet, und dann die Verbindung mit Neugier und Verständnis wiederherstellen.


Beziehungsaufbau ist ein fortlaufender Prozess, der die beste Grundlage dafür schafft, dass Kinder ihr inneres Gutsein auch nach außen bringen können. Aber er beseitigt unerwünschte Verhaltensweisen nicht völlig. Lasst uns im nächsten Abschnitt zunächst über schlechtes Verhalten sprechen und dann über normales Verhalten, das schlecht aussieht.



Wenn die Verbindung abreißt


Auch bei guten Kindern kommt es zu schlechtem Verhalten. Meist ist das die Folge mangelnder Verbindung, unerfüllter Bedürfnisse oder einer zugrunde liegenden Angst. Wenn euer Kind nicht auf euch hört, habt ihr wahrscheinlich ein Verbindungsproblem. Versucht nicht, lauter zu reden - sie werden trotzdem nicht zuhören. Macht stattdessen eine Pause, kommt später zurück und stellt erst eine Verbindung her, bevor ihr ihnen sagt, was sie tun sollen.


Manchmal sind die emotionalen Anforderungen an ein Kind zu hoch und es drückt sich in körperlichen Symptomen aus. Emotionale Wutanfälle, aggressives Verhalten, Angst und Sorgen sind alles Manifestationen zu hoher emotionaler Belastungen bei einem Kind, das noch nicht in der Lage ist, damit umzugehen.


Als Eltern ist eure erste Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen. Wenn ihr das Kind körperlich entfernen oder festhalten müsst, gehört das zu eurem Job. Haltet die Grenzen aufrecht. Sagt eurem Kind: "Ich lasse nicht zu, dass du deine Schwester schlägst." Die Worte "Ich lasse nicht zu..." sind kraftvoll, weil sie eurem Kind sagen, dass es sich auf euch verlassen kann. Dass ihr eine sichere Person seid, die es und andere schützt.


Sobald die Sicherheit gewährleistet ist, stellt die Verbindung zu eurem Kind wieder her. Findet heraus, warum es die Kontrolle verloren hat, und helft ihm, das zu verstehen. Vergesst nicht, die Wahrheit zu sagen.


Auch Bindungsprobleme können zu unerwünschtem Verhalten führen, etwa Geschwisterrivalität oder Lügen. Meist hat das Kind in solchen Fällen Angst, die Verbindung zu euch zu verlieren oder seinen Platz in der Welt. Stellt eine Verbindung zu eurem Kind her, zeigt Mitgefühl und sagt die Wahrheit. Denkt daran, das Ziel ist nicht, das Verhalten zu beenden, sondern es dem Kind zu ermöglichen, das Verhalten von sich aus einzustellen.


Das Gefühl der Ohnmacht kann zu Unverschämtheit, Trotz und Quengeln führen. Das sind mit die schwierigsten Verhaltensweisen, weil sie an euren Nerven zerren. Überprüft eure eigenen Gefühle und warum euch das Verhalten so stört, bevor ihr auf euer Kind zugeht. Stellt dann eine Verbindung her und sprecht darüber, was eure Aufgabe und was seine Aufgabe ist. Helft ihm, die Kontrolle zu finden, die es sicher ausüben kann, während es die Grenzen respektiert, die ihr setzt, und darauf vertraut, dass ihr ihm Raum zum Wachsen gebt.


Das sind nur einige der häufigsten Verhaltensweisen, die auftreten, wenn die Verbindung abreißt oder ein Bedürfnis unerfüllt bleibt. Die Verhaltensweisen, die wir als nächstes behandeln, haben eine andere Ursache.



Verstehen, was normal ist


Viele Eltern machen sich Sorgen über Verhaltensweisen, die völlig normal sind. Schüchternheit, geringe Frustrationstoleranz, Probleme beim Essen, Tränen und Perfektionismus - all das sind Verhaltensweisen, die aus dem normalen Bedürfnis des Kindes entstehen, Kontrolle über seine Umgebung zu finden.


Wenn ihr ein Kind zögern seht, sich einer Gruppe anzuschließen, ist das eigentlich etwas Gutes. Es versucht zu verstehen, was vor sich geht, bevor es einsteigt. Ihr könnt eurem Kind helfen, indem ihr vorher über etwas Großes sprecht oder mit ihm in seiner Unsicherheit verweilt und alle Fragen beantwortet, die es haben könnte. Drängt es nicht in eine Situation, in der es sich nicht wohlfühlt. Letztendlich wollt ihr, dass es seinen Gefühlen vertrauen kann, und das wird nicht geschehen, wenn ihr ihm sagt, dass seine Gefühle falsch sind, indem ihr es zu etwas drängt, was es nicht will.


Auch Frustrationstoleranz, Weinen und Perfektionismus haben mit der Kontrolle der Umgebung zu tun. Euer Ziel ist es nicht, eurem Kind aus diesen Gefühlen herauszuhelfen, sondern ihm zu helfen, sie weiter zu durchleben. Es ist gut für ein Kind, auch bei einem gewissen Maß an Frustration weiterarbeiten zu können. Setzt euch zu eurem Kind, erzählt von eigenen Erfahrungen und helft ihm, sich sicher zu fühlen, mit seinen Gefühlen zu sein.


Kämpfe ums Essen sind oft von den Eltern erzeugte Konflikte. Euer Kind zu ernähren ist eure fundamentalste Aufgabe und berührt den Kern eurer Rolle als Eltern. Wenn ein Kind euer Essen ablehnt, fühlt sich das fast wie ein persönlicher Angriff an. Denkt daran, eure Aufgabe ist es, ihm das richtige Essen zu geben. Eure Aufgabe ist es nicht, es zum Essen zu zwingen.


Letztlich wollt ihr, dass euer Kind mit Resilienz und Selbstvertrauen aufwächst. Ihr wollt, dass es in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern, Zustimmung und Ablehnung zu verstehen, seine eigenen Grenzen zu setzen und in seinen Beziehungen zu wachsen. Es wird kein Selbstvertrauen entwickeln, wenn es seinen eigenen Gefühlen nicht traut. Es kann seinen Gefühlen nur vertrauen, wenn ihr dieses Vertrauen vorlebt, indem ihr es durch seine emotionalen Höhen und Tiefen begleitet, Grenzen setzt und ihm helft, das Gute in sich selbst zu erkennen.


Fazit


Ich hoffe, diese Einführung in die Welt von "Good Inside" hat deutlich gemacht, dass die Erkenntnisse und Werkzeuge, die Dr. Becky Kennedy vermittelt, weit über die Kindererziehung hinaus relevant sind. Letztlich geht es um Prinzipien, die für alle unsere Beziehungen gelten - ganz besonders für die intimen, in denen wir uns mit unseren tiefsten Sehnsüchten, Ängsten und Verletzlichkeiten zeigen wollen.


Denn auch in der Partnerschaft, in engen Freundschaften oder in der Beziehung zu uns selbst braucht es immer wieder dieses achtsame Innehalten, diesen Perspektivwechsel, der nach der wohlwollendsten Interpretation sucht. Auch hier ist es heilsam, uns daran zu erinnern, dass hinter jedem herausfordernden Verhalten ein tiefes menschliches Bedürfnis steckt - und dass wir alle in unserem Kern "good inside" sind.


Mit diesem Blick können wir lernen, Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als Chance für mehr Verständnis und Nähe zu sehen. Wir können üben, auch in schwierigen Momenten präsent und mitfühlend zu bleiben - und immer wieder den Weg der Reparatur und Versöhnung zu suchen. So schaffen wir nach und nach ein Klima der emotionalen Sicherheit, in dem wir und unsere Liebsten wachsen und erblühen können.


In diesem Sinne ist "Good Inside" eine Einladung, all unsere Beziehungen bewusster, achtsamer und liebevoller zu gestalten. Es ist ein Kompass, der uns immer wieder zurück zu dem führt, was wirklich zählt: authentische Verbindung, Mitgefühl und die Bereitschaft, uns selbst und andere jeden Tag ein Stückchen besser zu verstehen.


Ich wünsche dir von Herzen, dass die Impulse aus diesem wunderbaren Buch auch deine Beziehungen bereichern und vertiefen - und freue mich sehr, wenn du magst, auf einen Austausch darüber.


Ganz herzliche

Micha Madhava



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